Videomapping: 360 GRAD LU, Ludwigshafen

Wenn die Stadt zum Instrument wird
(english version below)

Ludwigshafen, Hans-Klüber-Platz, ein Samstagabend im Spätsommer: Punkt 19:59 Uhr, als die Sonne hinter den Blockkanten verschwindet, beginnt das Spektakel. Was noch eben nüchterne Architektur war – das Wilhelm-Hack-Museum, die Philharmonie, die Agentur für Arbeit und der Hackgarten – verwandelt sich binnen Sekunden in eine flirrende Leinwand, die atmet, pulsiert, sich biegt und mit der Nacht verschmilzt.

„360 GRAD LU“ nennt sich dieses audiovisuelle Experiment, und selten hat eine Stadt sich so radikal neu erfunden. Waldrauschen und ihre Gäste schaffen das Kunststück, Klang und Raum in ein gemeinsames Schwingen zu versetzen. Die 360-Grad-Beschallung umschließt das Publikum mit sphärischen Beats, treibenden Rhythmen und feinen, fast organischen Klangfäden, die durch die Häuserschluchten wehen. Nichts bleibt statisch, alles ist in Bewegung, als sei Ludwigshafen selbst in einen Traum gefallen.

Das Bildmaterial hat seinen Ursprung in den Illustrationen von Birgit Lang – fragil, poetisch, surreal. Aus ihnen destillieren Benjamin S. Jantzen und Jo Jacobs eine futuristische Bildwelt: Türme wachsen wie Pflanzen, Glasfassaden öffnen sich wie Blüten, und die bekannten Konturen der Stadt werden zu Chiffren einer möglichen Zukunft. Zwischen utopischer Sehnsucht und dystopischem Flackern pendeln die Projektionen, und doch bleibt eine eigentümliche Leichtigkeit im Raum.

Schon im Vorfeld hatte man geahnt, dass hier ein neues Kapitel aufgeschlagen wird: Nach den ersten gemeinsamen Gehversuchen von Waldrauschen und Jantzen beim Straßentheaterfestival 2024, wo der Lutherturm in ein elektronisches Fabelwesen verwandelt wurde, nun also die große Geste – die Umarmung eines ganzen Platzes. Was an jenem Abend entstand, war kein Konzert, keine Ausstellung, kein Theaterstück. Es war ein Zustand.

Und während nach 20:59 Uhr das Hauptprogramm in ein nächtliches Club-Setting überging – Live-Visuals, elektronische Musik, ekstatisches Tanzen im öffentlichen Raum – blieb das Gefühl, Zeuge eines seltenen Moments gewesen zu sein: einer Stadt, die für wenige Stunden aufhörte, sie selbst zu sein, und stattdessen ein lebendiges Instrument wurde.

When the City Becomes an Instrument

Ludwigshafen, Hans-Klüber-Platz, a late summer Saturday evening: precisely 7:59 PM, as the sun dips behind the block edges, the spectacle begins. What moments ago was sober architecture—the Wilhelm-Hack Museum, the Philharmonie, the Employment Agency, and the Hackgarten—suddenly transforms into a pulsating, breathing canvas that merges with the night.

Called “360 GRAD LU”, this audiovisual experiment rarely allows a city to reinvent itself so radically. Waldrauschen and their guest musicians accomplish the feat of uniting sound and space into a single resonance. The 360-degree audio surrounds the audience with ethereal beats, driving rhythms, and delicate, almost organic threads of sound that drift through the urban canyons. Nothing remains static; everything moves, as if Ludwigshafen itself has slipped into a dream.

The visuals originate from the illustrations of Birgit Lang—fragile, poetic, surreal. From them, Benjamin S. Jantzen and Jo Jacobs distill a futuristic imagery: towers grow like plants, glass facades open like blossoms, and familiar city outlines transform into ciphers of a possible future. Suspended between utopian longing and dystopian flicker, the projections nevertheless retain a peculiar lightness.

The evening was a turning point: after the first collaborative forays of Waldrauschen and Jantzen at the 2024 street theatre festival—where the Lutherturm became an electronic fable—this was the grand gesture: the embrace of an entire square. What emerged that night was neither a concert, nor an exhibition, nor a play. It was a state of being.

As the main program kicked off at 8:59 PM, shifting into a nocturnal club-like setting—live visuals, electronic music, ecstatic dancing in public space—the feeling lingered that one had witnessed a rare moment: a city that, for a few hours, ceased to be itself and became a living instrument.