Videomapping: „Himmel & Erde“ für Kaufbeuren Leuchtet 24

Himmel und Erde: Ein Dyptichon über den Fall des Menschen

Es gibt Kunstwerke, die den Betrachter nicht nur fesseln, sondern ihn regelrecht in eine metaphysische Grenzerfahrung führen. Das Videomapping-Dyptichon Himmel und Erde gehört zweifellos dazu. In einem imposanten Spannungsbogen zwischen irdischer Realität und paradiesischen Visionen setzt sich dieses innovative Werk mit dem Urmythos der Menschheit auseinander: dem Sündenfall, der Vertreibung aus dem Paradies. Zwei Welten prallen aufeinander, sichtbar gemacht durch zwei Kunstwerke, die nicht nur im Dialog stehen, sondern einander bedingen.

Die Erde, dargestellt auf der Fassade des imposanten Rathauses, bildet die erste Hälfte des Dyptichons. Hier entfaltet sich eine KI-generierte Videoprojektion, die irdische Themen aufgreift. Sie fängt die Vergänglichkeit, die Kämpfe und Konflikte unserer Welt ein – Naturkatastrophen, technologischer Fortschritt, menschliche Fehlbarkeit. Die KI spielt dabei eine doppelte Rolle: Einerseits als Schöpferin, die unendliche Datenströme verarbeitet und in immer neue Bilderwelten verwandelt. Andererseits aber auch als mahnendes Orakel, das uns vor Augen führt, was uns die Hybris und der technologische Wahn kosten können. Die Projektionen tanzen in kühlem Rhythmus über die barocke Architektur, verzerren sie, verwandeln sie in ein Mosaik aus Daten und Bildern. Dieser kunstvolle Bruch, der das Historische und das Digitale verschmelzen lässt, spiegelt die menschliche Verstrickung in die Sünden der Gegenwart wider.

Demgegenüber steht die zweite Installation im sakralen Raum der Dreifaltigkeitskirche, wo die paradiesischen Themen verhandelt werden. Eine 360-Grad-Projektion, die den gesamten Innenraum der Kirche in ein immersives Licht- und Tonerlebnis verwandelt, eröffnet dem Besucher eine surreale Welt jenseits der Zeit. Hier gibt es keine Anklage, keine Schwere – stattdessen strahlt das Paradies eine trügerische Harmonie aus. Lichtkaskaden ergießen sich über die Wände, sphärische Formen und Farben verschmelzen zu einem übernatürlichen Gleichklang. Begleitet wird die Projektion von der majestätischen Orgel, live gespielt von Arno Korkenberger, dessen improvisierte Klänge wie ein Echo göttlicher Sphären durch die Luft schwingen. Doch die paradiesische Ruhe ist brüchig – immer wieder mischen sich dissonante Töne ein, lassen den Einklang zerbrechen.

Auf der Metaebene thematisiert Himmel und Erde die Dialektik von Schuld und Unschuld, von Wissen und Ignoranz. Es erzählt die Geschichte des Menschen, der aus der göttlichen Ordnung fällt und sich der Endlichkeit der Erde überlassen muss. Und so finden die beiden Arbeiten im gemeinsamen Motiv des Sündenfalls ihre Verbindung. Während das Rathaus die Welt in ihrem gefallenen Zustand zeigt, symbolisiert die Kirche den verlorenen Urzustand – ein ewiger Kreislauf aus Vergehen und Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies.

Heaven and Earth: A Diptych on the Fall of Man

There are works of art that not only captivate their audience but lead them into a metaphysical experience. The video-mapping diptych Heaven and Earth undoubtedly belongs to this category. In a grand arc of tension between earthly reality and paradisiacal visions, this innovative piece delves into the primal myth of humanity: the Fall, the expulsion from Paradise. Two worlds collide, made visible through two works of art that not only stand in dialogue but are intrinsically interconnected.

Earth, portrayed on the façade of the grand town hall, forms the first half of the diptych. Here, an AI-generated video projection unfolds, addressing terrestrial themes. It captures the transience, struggles, and conflicts of our world—natural disasters, technological progress, human fallibility. The AI takes on a dual role: on the one hand, as a creator, processing infinite streams of data and transforming them into ever-new visual worlds. On the other hand, as a prophetic oracle, it confronts us with the costs of hubris and technological obsession. The projections dance rhythmically across the baroque architecture, distorting it, transforming it into a mosaic of data and images. This artistic rupture, merging the historical with the digital, reflects humanity’s entanglement in the sins of the present.

In contrast, the second installation resides within the sacred space of the Trinity Church, where paradisiacal themes are explored. A 360-degree projection transforms the church’s interior into an immersive light and sound experience, opening a surreal world beyond time to the viewer. Here, there is no accusation, no weight—only a deceptive harmony radiating from Paradise. Cascades of light flow over the walls, while spherical forms and colors merge into a supernatural unity. This is accompanied by the majestic organ, played live by Arno Korkenberger, whose improvised sounds resonate like echoes of divine realms.

Music by the fabolous Güldeste Mamaç